Gerkan: Tötung ungeborener Kälber: Landesregierung verschließt die Augen

Der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern ist nicht bekannt, wie viele trächtige Kühe in Schlachthöfen des Landes geschlachtet und auf entsprechende Tiertransporte geschickt werden. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen
parlamentarischen Anfrage der tierschutzpolitischen Sprecherin der Bündnisgrünen Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern, Jutta Gerkan.

Jutta Gerkan:

„Mit ihren Antworten auf meine Kleine Anfrage zeigt die Landesregierung erneut, dass sie bei Fragen des Tierschutzes in der Nutztierhaltung widersprüchlich und unentschlossen agiert. Trotz der Tatsache, dass durch wissenschaftliche
Arbeiten* seit 2011 annähernd bekannt ist, in welchem Umfang in deutschen Schlachthöfen ungeborene Kälber qualvoll sterben, hat sich die Landesregierung bisher kein Bild der Lage in unserem Bundesland verschafft. Sie verschließt die
Augen vor dem Problem. Für mich wird damit ein weiteres Mal offensichtlich, dass Tierschutz für die hiesige Landesregierung nicht mehr als ein Lippenbekenntnis ist.

So lehnt sie zwar das Schlachten tragender Tiere aus Gründen des Tierschutzes und aus ethischen Gründen ab. Auch setzte sie sich im Rahmen der Agrarministerkonferenz für ein Schlachtverbot tragender Rinder ein. Doch hält
sie ein Verbot der Schlachtung trächtiger Rinder ab dem Zeitpunkt der Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit der ungeborenen Kälber nur für ‚überlegenswert‘ und nicht für dringend notwendig. Ein solch zögerlicher Ansatz
wird aus meiner Sicht dazu führen, dass noch lange Zeit Kälber qualvoll sterben.“

Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern hatte erst in ihrem im Juli 2015 veröffentlichten Tierschutzkonzept angekündigt, mit einem länderübergreifenden ‚Kodex‘ vermeiden zu wollen, dass tragende Tiere weiterhin geschlachtet werden. Auch sollte nach Ansicht der Landesregierung das Problem durch Änderungen des Betriebsmanagements der tierhaltenden Betriebe gelöst werden.

Jutta Gerkan:

„Um das tierschutzwidrige Töten ungeborener Kälber zu beenden, müssen Gesetze bzw. Verordnungen erlassen werden, denn nur diese sind auch durchsetzbar. Ein wie auch immer gearteter ‚Kodex‘, also eine freiwillige Verpflichtung der
Tierhalter, kann dahin gehend nur ein erster Schritt sein. Damit lässt sich das Schlachten tragender Kühe nicht wirksam vermeiden. Vielmehr brauchen wir wirksame Transport- und Schlachtverbote für tragende Kühe auf Bundes- und
EU-Ebene. Deshalb fordere ich von der Landesregierung, dass sie sich gegenüber der Bundesregierung und der EU-Kommission und mit parlamentarischen Initiativen im Bundesrat für einen gesetzlichen Schutz ungeborenen Lebens in der Nutztierhaltung stärker als bisher engagiert.“

Hintergrund:

– Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Jutta Gerkan (Bündnis 90/Die Grünen) zum Thema „Schlachten trächtiger Kühe“ an die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern (Landtags-Drucksache 6/4225, beantwortet am 13.08.2015)
Link: www.dokumentation.landtag-mv.de/Parldok/vorgang/23168

*Die Wissenschaftlerin Katharina Riehn von der Universität Leipzig stellte bereits im Jahr 2011 mit einer Studie fest, dass in Deutschland regelmäßig trächtige Rinder getötet werden, wobei die ungeborenen Kälber qualvoll sterben. Im Durchschnitt waren in den 53 befragten Schlachthöfen 9,6 % der geschlachteten Milchkühe tragend. Darauf basierende Schätzungen gehen von 180.000 Kälbern aus, die jährlich in Deutschland auf diese Weise sterben. Der Titel der Studie lautet: „Schlachtung gravider Rinder – Aspekte der Ethik und des gesundheitlichen Verbraucherschutzes.“

Quelle:
www.researchgate.net/publication/256293516_Schlachtung_gravider_Rinder__Aspekte_der_Ethik_und_des_gesundheitlichen_Verbraucherschutzes
Aktuellere Zahlen der Bundestierärztekammer gehen von jährlich ca. 81.200 Schlachtungen tragender Kühe aus.

Nach vermehrten Medienberichten und wachsendem öffentlichen Druck will Bundesagrarminister Schmidt das Schlachten von trächtigen Kühen verbieten. Der Bundeslandwirtschaftsminister will die Praxis demnach auf europäischer Ebene
regeln, aber auch auf nationaler Ebene dagegen vorgehen. Nach Aussagen der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern (Landtags-Drucksache 6/4225) sind ihr genaue Inhalte der Initiativen aus dem Bundesagrarministerium bisher nicht bekannt.

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